Zur Arbeit von Pro Humanus in Peru – „Schule unterwegs“ und Begleitung krebskranker Kinder

Pro Humanus, 2004 in Lima als gemeinnütziger Verein gegründet, fördert Initiativen in den Bereichen Erziehung, Bildung, Gesundheit und Kultur mit dem Ziel, zu einer menschenwürdigen Entwicklung beizutragen. – Seit 2007 arbeitet der Verein vorwiegend in benachteiligten Regionen Perus mit einem künstlerisch-pädagogischen Ansatz, mit dem versucht wird, die Entwicklung von Kindern,  in enger Zusammenarbeit mit  Eltern und Lehrern, zu fördern – Derzeitige Mitarbeiterinnen: Rocío García (Peru, Waldorferzieherin), Lyggia Chujutalli (Peru, Waldorf-Klassenlehrerin), Bettina Vielmetter (Deutschland/Peru, Lehrerfortbildung und Sozialarbeit).

John und Elbio sitzen in ihr Spiel versunken auf dem von der Nacht noch frostigen Boden vor dem Schulhaus von Jabonillo (ein auf knapp 4000müM gelegenes Hochanden-Dörfchen) und servieren das eben zubereitete Gericht. Die Teller sind Flaschendeckel, und heute gibt’s sogar silbern glänzende Untersetzer aus sauber ausgerissenen Stückchen einer aufgelesenen Chips-Tüte. Die Beiden warten auf die Lehrerin, denn ihre Eltern sind in der jetzigen Kartoffelerntezeit schon im Morgengrauen zu ihren Feldern gewandert….

Ist das nun Armut oder Reichtum? Jedenfalls hinterlässt dieses Bild einen Eindruck, der alte Fragen neu entzündet: Warum geht das eine Kind an der materiellen Armut schier zugrunde, während das andere trotz Mangelernährung auf allen Ebenen stark wirkt und eine Lebensfreude ausstrahlt, wie man sie in reichen Gegenden kaum erlebt? Was ist in diesem Zusammenhang wirklich ‚Hilfe‘? Bekämpfen wir lediglich die Armut, oder finden wir einen Weg, der die Entwicklung der Kinder innerhalb ihres Lebensumfelds so fördert, dass sie in Zukunft in sich selbst die Fähigkeiten entdecken können, das Leben zu meistern und den Anforderungen der Zeit gerecht zu werden – unter welchen Umständen auch immer?

Kindergarten und Grundschule – Die Kinder sitzen nicht mehr apathisch, passiv und ängstlich auf der Schulbank; sie erleben, dass Lernen auch Freude machen kann. ErzieherInnen und LehrerInnen beginnen, neue Elemente in ihre Arbeit zu integrieren und einen wärmeren, kindgemäßeren Umgang mit ihren SchülerInnen zu pflegen.

Vor diesem Hintergrund führen wir im Rahmen unseres Projekts „Schule unterwegs“ seit zwei Jahren pädagogische Fortbildungsmodule in Grundschulen und Kindergärten in bisher fünf Orten der zentralen Hochandenregion Huancavelicas und der nördlichen Küstenwüste bei Chiclayo durch. In beiden Regionen arbeiten wir mit anderen, in ähnlichen Bereichen tätigen Institutionen zusammen, was den Projekten zu einer größeren Effizienz verhilft und zu einer gegenseitigen Bereicherung führt*.
Mit dieser Arbeit wollen wir einen Beitrag zur Verbesserung der Erziehungssituation auch in benachteiligten Gebieten leisten. Sie soll den Eltern, Erziehern und Lehrern helfen, den Bedürfnissen und der Entwicklung der Kinder besser gerecht zu werden.
Durch künstlerisch-pädagogische Aktivitäten und Unterrichtseinheiten mit den Kindern sollen diese Fähigkeiten entfalten können, die ihnen in Zukunft ein kreatives und freies Handeln aus Eigeninitiative ermöglichen.
Unterrichtsbegleitung und Fortbildungskurse sollen Erziehern und Lehrern eine Erweiterung ihrer Kenntnisse ermöglichen und individuelle Fähigkeiten fördern welche ermutigen, neue, bereichernde pädagogische Elemente in den Unterrichtsalltag mit einzubeziehen.
Gleichzeitig werden auch Eltern aktiv in den Lernprozess ihrer Kinder mit einbezogen. Dies führt zu Mitverantwortlichkeit und engagierter Begleitung von Schulangelegenheiten.

*In Huancavelica mit ADECAP (Asociación de Defensa y Desarrollo de las Comunidades Andinas del Perú), einer Organisation Einheimischer, die sich für Menschenrechte, Bildung, Gesundheit und Landwirtschaft einsetzt; in Chiclayo mit Asociación Petirrojo, die dort eine Schule für Kinder mit Lernschwierigkeiten unterstützt.

In einer Umgebung, in der die Bewohner unter schwierigsten Umständen leben, ist es für alle Beteiligten ermutigend zu erleben, wie viel mit einfachsten Mitteln erreicht werden kann. Schöne Einrichtungen und eingeführte pädagogische Programme wirken da eher schädigend als helfend, und die tägliche Arbeitserfahrung mahnt uns immer wieder wach zu sein für das, was sich in jedem Moment – oft ganz unvorhergesehen –  als Notwendigkeit zeiget. Sinn macht letztlich nur, was von den Beteiligten mit der Zeit wirklich selbständig umgesetzt werden kann – aufbauend auf ihre Lebensrealität und auf eine authentisch menschliche Begegnung.

Dass das eine langfristige Zusammenarbeit in kleinen Schritten erfordert, versteht sich von selbst. Fast noch größer ist aber die Herausforderung, einen praktischen Arbeits-Ansatz zu finden, wie die lokale Kultur eines jeden Orts mit einer universellen Kultur zukunftsweisend verbunden werden kann und zwar über ein blosses Konservieren der in den Dörfern allmählich verblassenden Tradition hinaus.

Zwei Mal jährlich vertiefen wir die Arbeit in den Dörfern durch zusätzliche, ein- bis zweiwöchige Lehrerfortbildungskurse. Im Juli 2010 konnten wir zum ersten Mal die ErzieherInnen und GrundschullehrerInnen aus unseren Projektorten Huancavelica und Chiclayo zu einem Intensivkurs nach Lima einladen. Wir öffneten diesen auch für Teilnehmer weiterer pädagogischer Initiativen Perus. So kam es zu einer interkulturellen, bereichernden Zusammenarbeit und Begegnung von Pädagogen aus den verschiedenen Kulturräumen des Landes.

In Zusammenarbeit mit den Trägern des Impulses der Anthroposophischen Medizin in Peru, beteiligen wir uns an der Begleitung krebskranker Kinder innerhalb eines staatlichen Krankenhauses in Lima.  Ergänzend zu den medizinischen Maßnahmen bieten wir künstlerisch-pädagogische Aktivitäten an,  in welche wir auch die Angehörigen mit einbeziehen. Dabei berücksichtigen wir den individuellen Krankheitszustand und die  jeweilige Situation des Kindes. Vor allem versuchen wir, eine wärmende Hülle wie auch eine Umgebung zu schaffen, wo das Kind einfach Kind sein darf. Denn innerhalb der sonst kargen Krankenhausatmosphäre rückt es als solches stark in den Hintergrund.
Grundlage für diesen Ansatz sind die Erfahrungen aus unserer Tärigkeit wie auch die anerkannten wissenschaftlichen Erkenntnisse, dass Kunst und Pädagogik ebenfalls ihre heilende Wirkung zeigen,  und damit den Gesundungsprozess positiv unterstützen.

Beide Arbeitsfelder, die künstlerisch-pädagogische Zusammenarbeit im schulischen, wie diejenige im medizinischen Zusammenhang sind für uns miteinander verbunden durch folgende Frage, die Aaron Antonovsky so formulierte: „Wie wird man, wo immer man sich in dem Fluss befindet, dessen Natur von historischen, soziokulturellen und physikalischen Umweltbedingungen bestimmt wird, ein guter Schwimmer?“  In dieser Fragestellung steckt ein zeitgemäßer Ansatz für das Zusammenwirken von Medizin und Pädagogik, aber auch für eine Entwicklungszusammenarbeit in benachteiligten Regionen, die mehr sein kann als eine Bekämpfung der Symptome der Armut. Sie kann zum Ziel haben, den Heranwachsenden in seiner Entwicklung zu unterstützen, ihn zu stärken und seine individuellen Fähigkeiten zu fördern. Dies kann die Grundlage bilden für ein engagiertes Handeln in allen Lebenssituationen und in einer Zeit wachsender Herausforderungen.

Bettina Vielmetter, November 2010

Mehr unter www.prohumanus.org, www.freunde-waldorf.de/projekte/r/peru.html, www.entwicklungshilfe3.de/projekte/weltweit/peru.

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