Liebe Schülerinnen und Schüler der Waldorfschulen Deutschlands:
In den Regionen, in denen unser pädagogisches Team mit Kindern, Lehrern und Eltern zusammenarbeitet, leben die Dorfgemeinschaften zum Teil noch stark in ihren Traditionen. Wenn beispielsweise eine Familie ihr Feld zu bearbeiten hat, tun sich alle Dorfbewohner zusammen und bewirtschaften es mit vereinten Kräften.
Es ist beeindruckend, was aus einer Gemeinsamkeit dieser Art heraus möglich ist! Das habt auch ihr in noch viel größerem Umfang mit eurer großartigen WOW-Day-Aktion gezeigt und zudem kommt sie Initiativen in aller Welt zugute, die sich unter oft schwierigsten Bedingungen für mehr Menschlichkeit und eine würdigere Erziehung einsetzen. Euer Engagement macht Mut und stärkt die Arbeit jeder einzelnen Initiative vor Ort. Herzlichen Dank!
Mit eurer Unterstützung für die Wanderschule in Peru tragt ihr dazu bei, dass Kinder in stark benachteiligten Regionen des Anden-Hochlands und der Küstenwüste eine würdigere und altersgemäßere Erziehung genießen dürfen. In bisher fünf Kindergärten und Schulen begleiten wir die Lehrer im Unterricht und bilden sie fort, und es können Spielzeug, Bücher und Unterrichts-Materialien angeschafft werden. Mitte dieses Jahres können wir durch eure Mithilfe einer größeren Gruppe von LehrerInnen aus verschiedenen Regionen des Landes einen intensiven, mehrwöchigen Fortbildungskurs in der Hauptstadt Lima ermöglichen.
Zum vierten Mal unterwegs in Huancavelica und Zaña
Als wir am frühen Morgen im noch nebelverhangenen Dorf Jabonillo, auf 4000 müM ankommen und uns Señora Delfina – die jedes Mal so liebevoll für unser Wohl sorgt – erblickt strahlt sie und rennt in ihre Küche, um uns ein Frühstück zuzubereiten. Dann kommen nach und nach die Kinder angelaufen, hängen sich rechts und links an uns und fragen alle durcheinander: „Was machen wir dieses Mal? Wie lange bleibt ihr? Habt ihr das Springseil und die Geige für die Pausen dabei? Bald beginnt Sonia, die Leiterin der Schule und Lehrerin der ersten und zweiten Klasse mit dem Unterricht. Uns fällt auf, dass die Kinder viel aktiver und freudiger bei der Sache sind – nicht mehr so unterwürfig und verängstigt wie zu Beginn unserer Arbeit im Vorjahr. Auch Sonia ist gelöster, liebevoller und viel natürlicher im Umgang mit den Kindern. Vom sonst im Land so üblichen Militärstil im Unterricht ist kaum mehr etwas übrig. In der ersten Arbeitssitzung am Nachmittag tauschen wir uns mit der Lehrerin darüber aus, wie es ihr in den vergangenen Monaten seit unserem letzten Besuch Ende Juni ergangen ist. Sie drückt es so aus: „An den Kindern und auch an mir selbst sehe ich deutlich die ersten positiven Ergebnisse dieser Art zu arbeiten, und ich beginne zu erkennen, dass das zwar ein langer, arbeitsintensiver, aber ein sehr lohnenswerter Weg ist. Erst jetzt wird mir klar, dass wir Lehrer bis anhin in erster Linie den Auflagen des Erziehungsministeriums gerecht zu werden versuchten, anstatt das Kind selbst in das Zentrum unserer Tätigkeit zu stellen. Wir füllen unsere Hefte mit Berichten, die von den Behörden zufrieden abgestempelt werden. Mit der Realität und Praxis im Schulalltag haben diese allerdings kaum etwas zu tun“.
Über zwei Wochen begleitet nun Lyggia, unsere Klassenlehrerin, die Kinder und LehrerInnen im Unterricht. Am Nachmittag arbeiten wir mit ihnen an den pädagogischen Grundlagen sowie methodisch-didaktischen Themen und bereiten gemeinsam den Unterricht vor. In den Elternversammlungen beziehen wir die Eltern aktiv in die morgendliche pädagogische Arbeit mit ein, in dem wir gemeinsam mit ihnen konkrete Beispiele aus dem Unterricht praktizieren.
Parallel begleitet unsere Kindergärtnerin Rocio die Arbeit im Kindergarten von Atuq. Auch hier ist eine deutlich wärmere, fröhlichere Arbeitsstimmung spürbar. Bei einem Überraschungsbesuch einer Spezialistin des Erziehungsministeriums antwortet die Leiterin des Kindergartens aus voller Überzeugung auf die kritischen Bemerkungen der Spezialistin, dass sie auf einem pädagogischen Weg sei, der für sie sehr positive Resultate zeige und dass sie fest entschlossen sei, diesen Weg weiter zu verfolgen.
Ende 2009 führten wir zum ersten Mal auch einen Unterrichts- und Lehrerfortbildungsblock in Zaña durch. Dieser hauptsächlich vom Reis- und Zuckerrohranbau lebende Ort liegt in einer Flussoase inmitten der Küstenwüste im Norden Perus. Schon vor einem Jahr kamen die Gründer einer kleinen Schule mit Kindergarten auf uns zu, auf der Suche nach Stärkung und Begleitung.
Dieses Interesse und die Eigeninitiative der Bevölkerung sind eine wesentliche Voraussetzung für das Engagement von Pro Humanus.
Eine Veränderung muss immer von den Betroffenen selbst gewollt sein. Von dort aus können dann gemeinsam – aus der Begegnung innerhalb der jeweiligen Realität und aus der Praxis heraus – neue, zukunftsweisende Ansätze für die Erziehung gesucht werden.
Mögen hoffnungsvolle Berichte der durch die WOW-Day-Aktion begünstigten Projekte viele Waldorfschüler motivieren, auch dieses Jahr eine solche Aktion zu veranstalten und dadurch das stärkende Netz zwischen zahlreichen Menschen und Initiativen weltweit weiterzuknüpfen.
Bettina Vielmetter